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Keine Vererbbarkeit eines Geldentschädigungsanspruchs (BGH-Urteil – IV ZR 258/18)

Zur Vererbbarkeit eines Geldentschädigungsanspruchs hat nun der Bundesgerichtshof entschieden: Die Witwe des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl erbt keinen entsprechenden Anspruch ihres verstorbenen Mannes. Der Gerichtshof hat ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 29. Mai 2018 bestätigt und bleibt somit seiner jahrelangen Rechtsprechung treu.

Worum geht’s?

Ursprünglich sollte Heribert Schwan die Memoiren des ehemaligen Bundeskanzlers verfassen und traf sich deshalb zwischen den Jahren 2001 und 2002 mit dem Altkanzler in dessen Haus in Ludwigshafen, um diese zu besprechen. Die beiden zerstritten sich jedoch und Schwan veröffentlichte daraufhin im Jahr 2014 das Buch „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“. In diesem zitierte er den Altkanzler mit umstrittener Wortwahl und abwertenden Urteilen über andere Politiker.

Was ist seitdem gerichtlich passiert?

Kohl verklagte Schwan, dessen Mitverfasser und den Verlag auf Unterlassung und Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von mindestens fünf Millionen Euro. Das Landgericht Köln gab der Klage in Höhe von einer Millionen Euro statt. Den Unterlassungsanspruch begründete das Landgericht mit einer stillschweigend geschlossenen Verschwiegenheitsvereinbarung im Rahmen der Memoirengespräche und der Verletzung der Persönlichkeitsrechte des ehemaligen Bundeskanzlers durch Fehlzitate.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens verstarb der Altkanzler jedoch, weshalb der Rechtsstreit von seiner Witwe und Alleinerbin Maike Kohl-Richter fortgeführt wurde. Daraufhin entschied das Oberlandesgericht Köln im Rahmen der Berufung, dass der Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Altkanzlers zwar entstanden, aber nicht vererbbar ist. Der Anspruch ist mit dem Tod des vormaligen Klägers erloschen.

Der BGH hat die von der Klägerin eingereichte Revision aus den gleichen Gründen zurückgewiesen. Funktion des Geldentschädigungsanspruch sei der im Vordergrund stehende Genugtuungsgedanke, der einem Verstorbenen nicht mehr gewährt werden kann.

Was sind die rechtlichen Besonderheiten?

Der Geldentschädigungsanspruch ist ein vom Bundesgerichtshof im Rahmen der „Herrenreiter“-Entscheidung entwickeltes und vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen der „Soraya“-Entscheidung bestätigter Ausgleichsanspruch, der neben dem Schadensersatzanspruch und Schmerzensgeldanspruch existiert. Er verfolgt eine Genugtuungs- und Präventionsfunktion und findet insbesondere in Fällen von rücksichtsloser Zwangskommerzialisierung der Persönlichkeit Anwendung (Hegemann/Amelung, in: Münchener Anwaltshandbuch Medien- und Urheberrecht, § 15 Rn. 120).

Im Laufe des Verfahrens griffen die Anwälte der Klägerin immer wieder Kritik am Geldentschädigungsanspruch aus der Literatur auf. So sei die Rechtsprechung zur Vererbbarkeit eines Geldentschädigungsanspruchs altersdiskriminierend, da sie alte und kranke Kläger benachteilige. Für diese beginne ein „makabrer Wettlauf mit der Zeit“ wodurch „alte und Kranke zum Freiwild von Rechtsverletzern“ werden. Das Persönlichkeitsrecht werde somit zu einem „zahnlosen Tiger“, was einem Rechtsstaat „nicht würdig“ sei. Trotz all dieser Argumente hält der Bundesgerichtshof an seiner Rechtsprechung fest und begründet diese mit dem Wegfall der Genugtuungsfunktion im Zeitpunkt des Todes. Diese sei neben der Präventionswirkung das zentrale Kriterium, um einen Anspruch auf Geldentschädigung zu begründen. Die vom Schädiger zu zahlende Entschädigungsbetrag kann dem Geschädigten keine Genugtuung mehr verschaffen, wenn dieser verstirbt. Dies gilt selbst dann, wenn der Anspruch dem Geschädigten noch zu Lebzeiten zugesprochen wird, dieser aber noch vor Rechtskraft des Urteils ablebt. Der Bundesgerichtshof stellt außerdem klar, dass der Präventionsgedanke den Zweck des Anspruchs allein nicht tragen kann, wenn die Genugtuungsfunktion todesbedingt zurücktritt.

Fazit

Das Festhalten des Bundesgerichtshofs an der fehlenden Vererbbarkeit eines Geldentschädigungsanspruchs mag von dem einen oder anderen als ungerecht und nicht nachvollziehbar wahrgenommen werden. Im Hinblick auf die Tatsache, dass der Geldentschädigungsanspruch jedoch gesetzlich nicht geregelt und Ausfluss gewohnheitsrechtlicher Rechtsprechung ist, erscheint es nur konsequent, wenn dieser bei Wegfall einer Anspruchsvoraussetzung nicht gewährt wird.

Ein Lichtblick bleibt jedoch: Auch wenn es für die Witwe nur einen geringen Trost darstellt, so urteilte der Gerichtshof im Unterlassungsverfahren zu ihren Gunsten und entschied, dass die im Buch genannten Fehlzitate auch nicht sinngemäß veröffentlicht oder verbreitet werden dürfen.

Fabian Schwab, Rechtsreferendar