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Filesharing-Urteil: Haftung trotz Freifunknetzwerks

Bei einem Freifunknetzwerk reicht es nicht aus, dass der Anschlussinhaber dessen Installation nachweist. Vielmehr muss er zur Erreichbarkeit im öffentlichen Raum vortragen, um seiner sekundären Darlegungslast nachzukommen.

Was ist Freifunk?

Freifunk ist eine weltweite Initiative, die es sich zum Ziel gemacht hat, die Kommunikation zu fördern. Ihre Mitglieder stellen über ihre Router ein frei zugängliches WLAN-Signal zur Verfügung. Dabei verbinden sich ihre Router über eine Software zu einem sogenannten Mash-Netzwerk. Die Software erkennt es, wenn ein Router ausfällt und verbindet den Nutzer sodann mit einem anderen Router in Reichweite. Die Software muss auf dem Router selbst installiert werden. Freifunk ist meist lokal organisiert. Jede Stadt hat ihre eigene Freifunk-Community. Mehr Infos unter: https://freifunk.net/

Was ist passiert?

Die Beklagte wurde als Anschlussinhaberin von der Klägerin in Anspruch genommen, da über ihre IP-Adresse ein Film auf einer Tauschbörse angeboten worden ist. Sie hatte zunächst vorgetragen, dass sie zum streitgegenständlichen Zeitpunkt selbst gar keinen internetfähigen Rechner besessen habe und mit der Nutzung dieser technischen Geräte nicht vertraut sei. Darüber hinaus haben auch ihr Ehemann und ihr Sohn Zugriff auf das Internet gehabt. Die Rechtsverletzung sei von diesen aber nicht begangen worden. Vielmehr sei auf ihrem Router eine Freifunk-Firmware installiert gewesen. Dieses sei von Dritten ohne Eingabe eines Passworts nutzbar.

Erstinstanzliches Urteil

Das Amtsgericht Köln (Urt. v. 08.06.2020 – 148 C 400/19) war der Auffassung, dass die Beklagte ihrer Sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist. Zum einen sei es nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte über andere Endgeräte die Rechtsverletzung vorgenommen habe. Zum anderen hätte sie die übrigen Familienglieder namentlich benennen müssen. Dass diese aber sowieso nicht als Täter in Betracht kämen, ergebe sich daraus, dass sie sich mit ihrer Familie darüber einig war, dass innerhalb der Familie keine Tauschbörsensoftware verwendet wurde.

Daher sei sowieso nur noch ihr Vortrag zum Freifunknetzwerk beachtlich. Dieser reiche jedoch nicht aus. Sie hätte darlegen müssen, dass Dritte die tatsächliche (und nicht nur potenzielle) Möglichkeit gehabt haben, auf ihren Anschluss von außen zuzugreifen.

Entscheidung des Berufungsgerichts

Das Landgericht Köln (Urt. v. 23.09.2021 – 12 S 10/20) hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Die Beklagte habe die tatsächliche Vermutung, dass sie als Anschlussinhaberin Täter der Rechtsverletzung ist, nicht widerlegen können. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 12.05.2016 – I ZR 48/15 – Everytime we touch; Urt. v. 06.10.2016 – I ZR 154/15 – Afterlife; Urt. v. 27.07.2017 – I ZR 68/16 – Ego Shooter) muss der Inhaber eines Internetanschlusses nachvollziehbar darlegen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen. Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen, da sie die übrigen Familienmitglieder nicht benannt hat.

Darüber hinaus stehe es nach dem Vortrag des Beklagten nicht fest, dass außenstehende Dritte über das WLAN ihren Anschluss nutzen konnten. Das Haftungsprivileg für Anschlussinhaber nach § 8 TMG greife daher nicht (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 26.07.2018 – I ZR 64/17 – Dead Island). Hierfür hätte die tatsächliche Erreichbarkeit des Freifunkknotens von beliebigen Personen im öffentlichen Raum dargelegt werden müssen. Es reiche nach Ansicht des Gerichts nicht aus, nur vorzutragen, dass man eine Installation einer Freifunk Firmware auf dem eigenen Router vorgenommen hat. Denn ansonsten würde § 8 TMG als „Schutzschild“ von Rechtsverletzern missbraucht werden.

Fazit

Die Anforderungen, die das Gericht an die sekundäre Darlegungslast der Beklagten gestellt hat, erscheinen möglicherweise zu weitgehend. Die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG soll Anbieter öffentlicher Netzwerke eigentlich vor einer Verantwortung für die übermittelten bzw. vermittelten Inhalte schützen. Das Gericht stellt jedoch klar, dass man die Erreichbarkeit des öffentlichen Netzwerks für Außenstehende vortragen muss, damit man überhaupt in den Genuss dieser Haftungsprivilegierung kommen kann. Ist das Netzwerk zwar eingerichtet, aber von außen nicht erreichbar, so spricht auch nichts dafür, dass die Verletzungshandlung durch einen Außenstehenden begangen worden ist. Im konkreten Fall dürften jedoch auch die Widersprüchlichkeiten im Vortrag der Beklagten zur Entscheidung beigetragen haben.

Fabian Schwab, Rechtsreferendar

Sind Sie Inhaber eines Internetanschluss oder Freifunkknotens und aufgrund eines Filesharing-Vorwurfs abgemahnt worden? Kontaktieren Sie mich gerne: